Die inzwischen auch nicht mehr ganz neue Idee der Juniorprofessur soll im Rahmen einer Reform
(der wievielten?) der akademischen Nachwuchsausbildung endgültig den "Muff unter den
Talaren" wissenschaftlicher Gelehrsamkeit beseitigen: Eigenständig und völlig unabhängig
von betreuenden Professoren sollen promovierte Jungakademiker forschen und vor allem
auch lehren können. Eine Habilitation ist nicht mehr vorgesehen, stattdessen sollen die Juniorprofessoren
innerhalb von maximal sechs Jahren ein zweites Buch vorlegen, welches nicht
mehr den formalen Ansprüchen einer Habilitationsschrift genügen muß.
Die Abschaffung der Habilitation allerdings bedeutet tatsächlich einen tiefgreifenden Wandel.
Dementsprechend groß ist die Verunsicherung. Trotz unzähliger Diskussionen, Expertenrunden,
öffentlicher und nichtöffentlicher Debatten kursieren immer noch viele Fragen.
Trotz mancher offener Fragen konnte jetzt allerdings der Präsident der Akademie der Wissenschaften,
Dieter Simon, von einem Konsens reden, dem keine fundamentalen Widerstände
gegen die Juniorprofessur mehr entgegenstünden. Die Direktorin des Instituts für Theaterwissenschaften
an der FUB, Erika Fischer-Lichte, begrüßte die Abschaffung der Habilitation,
die sie als "Infantilisierung erwachsener Menschen", denen durch jahrelanges Abhängigkeitsverhältnis
das Rückgrat gebrochen werde, bezeichnete. Zugleich wandte sie sich gegen
die zeitliche Befristung der neuen Stellen: "Der Juniorprofessor muß sich dann schon nach vier
Jahren auf eine unbefristete Professur bewerben, denn oft dauert das Bewerbungsverfahren zwei
Jahre". Zu diesem Zeitpunkt habe er aber wohl kaum sein zweites Buch fertiggestellt und hätte
so keine wirkliche Chance. Sie forderte, den Juniorprofessoren die Möglichkeit zu einer
weiteren befristeten Anstellung zu geben, während der sie ihr Buch veröffentlichen und sich
auf Professuren bewerben sollten.
Auch sollten andere Wege zur Professur nicht verstellt werden: "Es muß auch möglich sein,
daß man sein zweites Buch nicht an der Universität schreibt, sondern während man in
einem Museum oder einem Lektorat arbeitet." Das Konzept des "tenure track", das vorsieht,
Juniorprofessoren an ihrer Universität in unbefristete Positionen zu übernehmen, bezeichnete
sie als "Katastrophe für die kleinen Fächer". Professoren könnten so dafür sorgen,
daß ihnen genehme Zöglinge ohne Stellenausschreibung ihren Lehrstuhl übernähmen -
für Fächer mit nur einer oder zwei Professuren das Ende intellektueller Vielfältigkeit.
In den Naturwissenschaften dagegen läuft ohne diese Form der Nachwuchsbindung gar nichts,
berichtete Horst Kern, Präsident der Universität Marburg. Dort hat man bereits die ersten
vier Berufungen für Juniorprofessoren ausgesprochen, und dabei konnte man aus über 150
Bewerbern auswählen. "Aber ohne "tenure track" hätte sich kein Einziger beworben. Warum
sollen junge Wissenschaftler in die Provinz gehen, wenn sie danach keine Zukunft haben?" Auch
an der Berliner Humboldt-Universität, die 47 Stellen ausgeschrieben hatte, beginnen die
ersten Juniorprofessoren mit der Arbeit. Ihre Stellen sind auf sechs Jahre befristet.
Der Jurist Hans Meyer, früherer Präsident der HUB und Vorsitzender der Expertenkommission
zur Dienstrechtsreform, gilt als Vorreiter der Idee der Juniorprofessur. Er gibt zu bedenken,
daß viele Einwände nicht dieser Professurart, sondern grundlegenden Problemen
gelten, u.a. machten sich zu viele Nachwuchswissenschaftler Hoffnungen auf die wenigen Professorenstellen.
Nun könnten jedoch diejenigen, die den Sprung nicht schafften, früher als
bisher auf andere Berufe umsatteln. Auch die überladenen Erwartungen an Promotionen, die
ursprüngich nur wissenschaftliche Selbstständigkeit nachweisen sollten, inzwischen aber zu
500 Seiten starken Lebenswerken ausuferten, könnten nicht allein von einer Strukturreform
gedämpft werden. Hier müsse ein grundsätzliches Umdenken einsetzen.
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